(48:00; Vinyl, Digital; Eigenveröffentlichung/Bandcamp, 06.07.2023)
Es ist nie zu spät für ein Debüt-Album.
Diesen Beweis tritt Aliènor mit ihrem Album “The Raven” an, das über einen Zeitraum von 2019 bis 2023 entstanden ist. Die aus dem hessischen Marburg stammende Keyboarderin war in den Jahren 1978 bis 1982 Mitglied einer Rock-Band mit dem vielleicht etwas in die Irre führenden Namen Softeis.
Auf den fast allwissenden Seiten von Discogs erfährt man sogar, dass sie dereinst auch mal ein paar Töne für Marburgs Prog-Export Nummer Eins Anabis beigetragen hat.
Zirka vierzig Jahre später war es dann anscheinend Zeit für ein Solo-Album. Dafür heuerte Aliènor Musiker aus aller Welt über die Freelancer Plattform Fiverr an. Das Ergebnis ist Melodic Hard Rock mit einer ordentlichen Portion Bombast und einer Prise Prog, der sich die Freiheit nimmt, aktuelle Trends völlig zu ignorieren.
Natürlich spielen bei “The Raven” die Keyboards und entsprechende Arrangements eine tragende Rolle, ohne jedoch Gitarre, Schlagzeug und Bass den Raum zu nehmen. Der Titelsong ‘The Raven’ und das nachfolgende ‘Circle Of life’ geben eine Richtung vor, die den Autor dieser Zeilen bisweilen sehr an Tom Galleys berühmtes Projekt Phenomena erinnert.
In ‘Evil Rising’ schimmert der Geist von Ken Hensley, erklärtermaßen ein Idol von Aliènor durch den Keyboard-Teppich. Auch die etwas rockigeren Eloy der frühen Achtziger lassen als möglich Inspiration grüßen. Das abschließende ‘Judgement Day’ beendet das Album kraftvoll. Die wechselnden Gastsängerinnen und -sänger mögen vielleicht nicht immer bei jedem Hörer ins Schwarze treffen, sorgen aber mit Sicherheit für jede Menge Abwechslung.
Betreutes-Proggen-Leser mit einer Schwäche für die genannten Referenz-Interpreten sollten in jedem Fall in “The Raven” reinhören. Seit Anfang Oktober ist das Album auch auf Vinyl über die Homepage der Künstlerin erhältlich.
Bewertung: 11/15 Punkten (DH 11, KR 11)